Freitag, 18. Mai 2012

Prolog


Lachend rannte er um die Ecke der schäbigen Hütte, hinein in eine schmale Gasse. Nach Luft schnappend drückte er sich in den Schatten der Mauer und bemühte sich keinen Laut von sich zu geben, der ihn verraten könnte.
Scheppernde Schritte ertönten von der Straße her. „Prinz Kirian! Wo steckt ihr?!“ Dieser biss sich auf die Lippe um einen erneuten Lachanfall zu unterdrücken.
  Er atmete tief ein und aus um sich zu beruhigen. Mit mäßigem Erfolg. Die Schritte entfernten sich wieder und er brach in schallendes Gelächter aus.
„Soso, Eure Hoheit läuft vor seinen Leibwächtern weg und findet dies auch noch amüsant? Ein wenig unangemessen für einen Prinzen, findet Ihr nicht? Aber mich interessiert Euer unpassendes Verhalten nicht, ich bin eher an Eurem schweren Geldbeutel interessiert.“
Kirian wendete sich erschrocken der Stimme zu. Jedoch konnte er nur vage Umrisse des Sprechers, der zweifellos ein Mann war, erkennen, da dieser sich ebenfalls im Schatten befand. Und was er erkennen konnte war wahrlich nicht erfreulich. Der Mann war mindestens einen Kopf größer als er und seine Silhouette ließ darauf schließen, dass er ziemlich kräftig war.
Reflexartig griff seine Hand zu dem Dolch der in seinem Gürtel steckte. „Dann komm ihn dir holen.“
Jetzt war der Moment gekommen in dem sich sein jahrelanges, hartes Kampftraining bezahlt machen konnte. Jedoch konnte er mit Dolchen und Messern nicht gut umgehen.
Der Mann trat aus dem Schatten. Es überraschte Kirian, dass er ebenso wie er noch ein Junge von vielleicht 15 Jahren war. Aber er machte nicht den Jungen zu unterschätzen. Er hatte wahrscheinlich viel mehr Erfahrungen in richtigen Kämpfen als er selber und zu dem kam noch, dass er größer und kräftiger war.
Kirian stellte seine Füße etwas weiter auseinander, sodass er einen festeren Stand hatte. Sein Blick war fest auf den Jungen gerichtet.
Der Andere schritt gemächlich auf ihn zu und streckte die Hand fordernd aus. Das war seine Chance.
Kirian packte blitzschnell
  den Arm und drehte ihn auf den Rücken des Jungens und zwar so, dass es höllisch schmerzte. Hastig griff er noch nach dem anderen Arm und hielt die Arme des Jungen nun zusammen mit einer Hand in dessen Rücken fest. Der Junge stöhnte kurz auf und fluchte dann.
Mit seiner freien Hand zog Kirian seinen Dolch aus der Scheide und drückte dem Jungen mit der Spitze leicht in die Seite. „Willst du noch immer mein Geld?“, spottete er.Als Antwort knurrte der Junge kurz und versuchte sich aus seinem Griff zu berfreien.
Da Kirian keine Ahnung hatte wie es jetzt weiter gehen sollte überlegte er nach seinen Leibwächtern zu rufen, die ihn wahrscheinlich immer noch suchten. Aber diesen Gedanken verwarf er direkt wieder. Das würde nur ein Schwächling tun und das war er definitiv nicht.
Plötzlich verhakte der Junge ein Bein um Kirians und riss ihn von den Füßen. Dabei fiel sein Dolch aus seiner Hand und schlitterte außer Reichweite.
Sein Kopf krachte gegen die Wand und der junge Mann fiel auf ihn drauf, erdrückte ihn beinahe mit seinem Gewicht. Sofort drehte dieser sich auf den Bauch und richtete sich auf, sodass er rittlings auf Kirian saß. Seine Faust hob sich und krachte auf der Nase des Prinzen, die direkt zu bluten anfing. Ihm war schwindelig, übel und er sah nur noch verschwommen, was wahrscheinlich an seinem Kopf lag. Er war also völlig unfähig sich zu wehren.
Der Mistkerl löste Kirians Geldbeutel von dessen Gürtel und lachte hämisch „Solltest das nächste Mal besser nicht vor deinen Beschützern weglaufen, Prinzeschen.“
Kirian schnaubte was ihm sofort eine Schmerzwelle bescherte.
Der Junge erhob sich, blickte ein letztes Mal auf Kirian hinab und wendete sich ab um zu gehen.
Der Prinz versuchte benommen sich aufzurichten und wollte noch etwas hinterher rufen -es ging ihm weniger um das Geld als um seine Ehre- als plötzlich ein Mädchen von geringer Größe in die Gasse trat, direkt gegenüber dem brutalen Kerl.
„Was hast du hier zu suchen, Dirr?“, fragte sie ihn.
Der Kerl zuckte unmerklich zusammen. „Leana“, sagte er erstaunt „ich habe dich doch eben noch auf dem Markplatz gesehen.“
„Und da wolltest du schnell die Gelegenheit ergreifen und in meinem Gebiet wildern?“
„Ich, also, ich..“, stammelte er und versteckte Kirians Geldbeutel so unauffällig wie möglich hinter seinem Rücken. „Er hatte kein Geld bei sich.“
Kirian fragte sich ob dieser Junge tatsächlich Angst vor dem kleinen Mädchen hatte, was eigentlich so gut wie unmöglich war.
„Sieh ihn dir doch an, Kirr. Das ist keiner von uns. Seine Kleidung ist die der wohlhabenden Menschen. Irgendetwas Wertvolles wird er doch sicherlich bei sich gehabt haben…?“, sagte sie während sie gelassen näher an Kirr hinan trat. Sie schien tatsächlich keine Angst zu haben.
„Ich habe nichts gefunden“, log er sie an.
„Ach tatsächlich?“, erwiderte sie und sprang ihn mit einem Satz an. Der Junge, Kirr, fiel zu Boden. Das Mädchen rettete sich jedoch mithilfe des Schwungs auf die Füße. Der Geldbeutel öffnete sich und das ganze Silber verteilte sich auf dem schmutzigen Boden der Gasse.
„Du hast mich angelogen“, stellte das Mädchen nüchtern fest und versetzte ihm als Strafe zwei Tritte in den Magen, die ihn auf keuchen ließen. „Und jetzt verschwindest du hier besser.“
Der Junge richtete sich auf und hastete so schnell er konnte aus der Gasse.
Kirian schluckte. Er war jetzt alleine mit dem Mädchen. Und er war verletzt.
Das Mädchen bückte sich, sammelte die Münzen auf und steckte sie zurück in den Beutel, den sie zuschnürte.
Langsam richtete sie sich auf und blickte Kirian an. Musterte ihn kühl.
Dann näherte sie sich ihm und warf ihm den Beutel hin. „Du solltest dich nicht mit so viel Geld in den Gossen der Stadt blicken lassen. Und jetzt sieh zu, dass du von hier verschwindest“, sagte sie.
Jetzt, wo sie näher war, konnte er ihr Gesicht besser erkennen. Sie hatte eine goldbraune Haut und kurze, dunkelbraune Haare. Sodass man sie von weitem für einen Jungen halten könnte, wären da nicht das weiche Gesicht, die vollen Lippen und ihr schon leicht kurviger Körper. Er schätze sie jünger als sich selbst, auch wenn sie einen verbitterten Zug und einen ernsten Blick hatte, die sie älter scheinen ließen.
„Hast du irgendein Problem?“, fragte sie bissig. Anscheinend hatte er sie angestarrt.
„Nun, wenn man davon absieht, dass in meinem Kopf eine Hammerwerkstatt und meine Nase gebrochen ist, dann habe ich wahrscheinlich kein Problem außer mit dem Aufstehen“, seine Mundwinkel hoben sich himmelwärts. Er fand es äußerst amüsant, dass sie nicht wusste wer er war. Und er hatte einen wahnsinns Respekt vor ihr, da sie es mit einem Kerl aufgenommen hatte, der drei Köpfe größer und auch doppelt so schwer wie sie war.
Sie sah so unschuldig aus und hatte es dabei faustdick hinter den Ohren.
Sie seufzte schwer und kam noch ein wenig näher. Sie griff ihm unter die Arme und half ihm sich aufzurichten.
Ein heißer Stich fuhr ihm in den Kopf und er biss sich auf die Lippe um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken.
„Autsch! Das sieht aber übel aus“, sagte sie erschrocken. „Warte hier, ich komme sofort wieder.“
Mit einer überraschenden Sanftheit lehnte sie ihn an die Wand und rannte davon.
Kirian atmete tief ein und aus, damit ihn nicht die Übelkeit übermannte, die er immer bekam wenn er starke Schmerzen erlitt. Vorsichtig betastete er seinen Hinterkopf. Als er die Hand zurückzog waren seine Finger rot vom Blut.
Das würde einen riesen Ärger Zuhause geben, dachte er.
Nach einiger Zeit kam sie mit einem Korb voller Versorgungsmittel für ihn wieder. Es befanden sich schmerzlindernde Kräuter, Verbandszeug und Wasser darin.
Sie reichte ihm de Kräuter und er steckte sie sich wortlos in den Mund.
„Wir warten jetzt kurz mit dem Verbinden, bis die Kräuter wirken.“
„Danke“, hauchte Kirian, den allmählich die Kräfte verließen.
Nach einem kurzen Schweigen fragte er sie: „Leana ist dein Name, oder?“
„Ja“, erwiderte sie knapp.
„Ich bin Kirian“, stellte er sich etwas verspätet vor. „Nimm dir mein Geld. Als Dankeschön für deine Hilfe.“
„Nein. Ich nehme dein Geld nicht.“
„Kann ich denn irgendetwas anderes für dich tun?“
Leana legte den Kopf schräg und blickte ihn mit zusammen gekniffenen Augen an.
„Wenn du der bist, der ich denke, dann hätte ich da eine Idee“, antwortete sie, nässte eines der Tücher und wusch behutsam die Wunde an seinem Kopf. Der Schmerz war weniger schlimm als er erwartet hatte, diese Kräuter bewirkten wahre Wunder. „Ich werde bald darauf zurückkommen.“ Sie verband ihn und gab ihm die restlichen Kräuter.
„Bis bald, Eure Hoheit“, verabschiedete sie sich und verbeugte sich spöttisch.
Bevor Kirian etwas erwidern konnte war sie verschwunden.
„Bis bald, Leana“, sagte er dennoch.

Die Wachen fanden ihn nach kurzer Zeit bewusstlos in einer Gasse liegend, verletzt, jedoch schien sich jemand um ihn gekümmert zu haben, denn seine Wunden waren verbunden.

Sein Geldbeutel lag überraschenderweise neben ihm.

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